Gestern morgen um 6.45 Uhr haben Abfangjäger der US-Air-Force zwischen Banja Luka und Novi Travnik vier serbische Kampfflugzeuge vom Typ "Jastreb J-1" (Habicht) abgeschossen. Damit hat die Nato zum ersten Mal einen UNO-Beschluß militärisch durchgesetzt. Insgesamt sechs der Maschinen waren kurz zuvor von F-16-Abfangjägern der Nato, die im Auftrag der UN das Flugverbot über Bosnien kontrollieren, beim Abwurf von Bomben gestellt worden. Nachdem die Besatzungen auf die zweimalige Aufforderung zum Landen nicht reagiert hatten, eröffneten die Nato-Maschinen das Feuer. Die Luftattacke ist die erste Aktivität des Militärbündnisses seit seiner Gründung.
Aus dem zuständigen Nato-Hauptquartier in Neapel hieß es, der Einsatz sei im Rahmen des UN-Flugverbotes über Bosnien-Herzegowina gerechtfertigt gewesen. Der Kommandeur der Nato-Südflanke, Jeremy Boorda, erklärte, die Verfolgung der beiden verbliebenen Flugzeuge sei beendet worden, nachdem diese den bosnischen Luftraum verlassen hätten.
Der Kommandant der UN-Schutztruppen (Unprofor), General Jean Cot, unterstrich in Sarajevo, der Vorfall werde "keine Folgen für die Aktivität der Unprofor in ihrem Auftragsgebiet" haben. Auch aus den westlichen Hauptstädten kam übereinstimmend Unterstützung für die Aktion. Rußland kündigte an, den Vorfall zu prüfen. Die Moskauer Agentur Interfax zitierte einen hohen Diplomaten, der betonte, der Angriff der Nato-Maschinen sei im Rahmen des von seiner Regierung mitunterzeichneten Sicherheitsrats- Beschlusses über ein Flugverbot über Bosnien gerechtfertigt, sollten die abgeschossenen Maschinen tatsächlich Kampfeinsätze geflogen haben.
Als ein Indiz dafür wertet die Nato Rauchsäulen in der Nähe der Munitionsfabrik von Novi Travnik, die von Fliegerbomben herrühren könnten. In den letzten Tagen hatten, verschiedenen Quellen zufolge, die Verletzungen des Flugverbotes über dem bosnischen Kriegsgebiet zugenommen. Bosnische Serben, westherzegowinische Kroaten und auch die bosnische Armee hätten Kampfhubschrauber eingesetzt. Im Nachrichtensender CNN betonte US-Präsident Bill Clinton gestern nachmittag, die Abschüsse seien nur möglich gewesen, weil es sich nicht um Helikopter gehandelt habe. Denn diese seien den Nato-Abfangjägern in den bosnischen Bergen überlegen.
Der Verlust der vier abgeschossenen "Jastrebs" trifft die Armee der bosnischen Serben schwer: Die international nicht anerkannte "Serbische Republik Bosnien- Herzegowina" verfügt nach Angaben der Nato über 40 bis 60 derartige Kampfflugzeuge. Über die Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug dementierte Karadzics Regierung gestern nachmittag weiterhin den Einsatz ihrer Maschinen. In Banja Luka, dem vermuteten Heimatflughafen der vier abgeschossenen "Habichte", seien seit der Stationierung von UN-Beobachtern keine Flugzeuge mehr aufgestiegen. Unabhängige Militärexperten in Belgrad erklärten dagegen, die Maschinen könnten auch vom Militärflughafen Udbine im serbisch besetzten Teil der Nachbarrepublik Kroatien gestartet sein. Das UN- Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) unterbrach angesichts der Abschüsse "aus Sicherheitsgründen" die internationale Luftbrücke in die bosnische Hauptstadt Sarajevo. Dort hatten gestern morgen mehrere Panzer der bosnischen Serben versucht, in den von der UNO für die Entmilitarisierung festgelegten 20-Kilometer-Radius einzudringen. Zuvor war der Flughafen von Tuzla erneut beschossen worden.