Stundenlang haben Einheiten der bosnischen Serben gestern auf Sarajewo geschossen. Bosnische Truppen hatten versucht, aus der seit knapp zwei Jahren belagerten Stadt auszubrechen. Zugleich spitzte sich im äußersten Westen des Staates ein Konflikt zu, der sich innerhalb des bosnischen Lagers entwickelt hat: zwischen Anhängern des aus dem bosnischen Präsidium ausgeschlossenen Geschäftsmannes Fikret Abdic und loyalen Truppen Präsident Alija Izetbegovics.
Hintergrund der innerbosnischen Kämpfe ist ein alter Streit zwischen Izetbegovic und Abdic, dem früheren Direktor des größten Agrarkombinates des ehemaligen Jugoslawien, "Agrokomerc". Schon bei den Wahlen 1991 hatten die beiden Mitglieder der "Partei der demokratischen Aktion" (SDA) gegeneinander um das Amt des Präsidenten Bosnien- Herzegowinas kandidiert. Der populäre Abdic, dessen Unternehmen 1988/89 wegen ungedeckter Wechsel in die Schlagzeilen geraten war, überrundete den Intellektuellen Städter Izetbegovic um einige zehntausend Stimmen.
Dann aber zog Abdic, der im Westen Bosniens in erster Linie aufgrund seiner Freigebigkeit unangefochten regiert, seine Kandidatur plötzlich zugunsten Izetbegovics zurück. Wahrscheinlich ist, daß der Geschäftsmann lieber in Bihac reich werden wollte, als sich in den Wirren der Sarajevoer Politik zu verschleißen. Tatsächlich blieb es dort noch lange nach Kriegsbeginn ruhig. Böse Zungen behaupteten gar, Abdic beliefere insgeheim die serbischen und kroatischen Aggressoren.
Izetbegovic wollte es sich dennoch nicht mit dem Patron verderben. Diverse Störmanöver Abdics blieben ohne größere Folgen, bis sich der "Agrokomerc"-Direktor vor drei Wochen als einziges Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums für den neuen Teilungsplan des internationalen Vermittlerduos Owen/Stoltenberg aussprach. Diese Meinung änderte er auch nach dem Nein der bosnischen Versammlung nicht. Die Integrität Bosnien-Herzegowinas ist dem Macher aus Velika Kladusa nicht halb so viel wert wie drei relativ befriedete bosnische Republiken, in denen sich Handel treiben läßt.
Am Samstag hatten nun Abdic- treue Milizen den Radiosender, das Rathaus und weitere strategisch wichtige Plätze im westbosnischen Cazin besetzt. Während der Waffenstillstandsverhandlungen mit den wenigen dort stationierten Regierungstruppen erhielten diese Verstärkung. Abdics Soldaten zogen sich kampflos zurück. Auf der Strecke blieb die Einheit des bosnischen Lagers.