Von einem Ende des Krieges war in Bosnien-Herzegowina gestern nichts zu spüren. Trotz des Versprechens der bosnischen Kroatenmiliz HVO, die seit Tagen festsitzenden Hilfskonvois für die belagerte herzegowinische Stadt Mostar weiterfahren zu lassen, wurde nach Angaben des BBC dort weiter gekämpft. Kroatische Artillerieeinheiten hatten laut dem örtlichen Kommandanten der bosnischen Armee am Dienstag morgen die mit 55.000 Flüchtlingen überfüllten muslimischen Teile der Stadt angegriffen. Ein erster Hilfskonvoi von 19 mit Lebenmitteln und Medikamenten beladenen LKWs, der am frühen Nachmittag in Mostar erwartet worden war, hatte die Stadt bis zum taz-Redaktionsschluß noch immer nicht erreicht. Abgesehen von einer symbolischen Menge von Medikamenten, die am Samstag mit sieben UN-Truppentransportern Mostar erreicht hatte, ist die Stadt seit über zwei Monaten von jeder Versorgung abgeschnitten. Auch in anderen Teilen Bosnien-Herzegowinas wurde weiter gekämpft. Während die drei Kriegsparteien die für Donnerstag, Freitag und das Wochenende angesetzten Abstimmungen über den neusten Teilungsvorschlag der internationalen Vermittler Owen und Stoltenberg vorbereiteten, brachen entlang der Grenzen der dort vorgesehenen drei ethnischen Teilrepubliken neue Kämpfe zwischen bosnischen und serbischen Truppen aus.
Für einige Verwirrung hat ein von Radio Sarajevo verbreiteter Aufruf des bosnischen Staatspräsidiums zur allgemeinen Mobilmachung gesorgt. Das höchste Gremium der exjugoslawischen Republik forderte darin die Behörden und Betriebe auf, alle Männer in wehrfähigem Alter für den Militärdienst freizustellen. Ihre Arbeitsplätze sollten mit Frauen besetzt werden. Der Aufruf wurde in der Nacht zum Dienstag nur einmal gesendet, bisher aber von den zuständigen Stellen in Sarajevo nicht dementiert. Bisher hatte die bosnische Seite auf eine allgemeine Mobilmachung verzichtet, da nicht genug Waffen und Ausrüstung für alle Wehrfähigen zur Verfügung standen. Beobachter werteten die Mobilisierung als Vorbereitung auf eine mögliche Ablehnung des Teilungsplans des internationalen Vermittlerduos Owen und Stoltenberg durch die für Freitag angesetzte "Bosnische Versammlung".
Im benachbarten Kroatien wurde die Brücke von Maslenica gestern für schwere Fahrzeuge und damit auch für Hilfstransporte nach Bosnien gesperrt. Westliche Beobachter vermuten, daß durch den Schritt die UN-Friedenstruppen und andere westliche Organisationen in den Konflikt um die einzige Landverbindung zwischen Zentralkroatien und der Adriaküste mit einbezogen werden sollen. Der Pontonbau war am Wochenende nach nur sieben Tagen Betrieb erneut von Artillerie der international nicht anerkannten "Serbischen Republik Krajina" schwer beschädigt worden.