Das bosnische Rumpf-Parlament wird nach Angaben von Radio Sarajevo in einer Sitzung mit Intellektuellen und anderen "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" bis zum Wochenende über den am Freitag in Genf vorgelegten Kompromiß für die ehemalige jugoslawische Republik entscheiden. Doch die Chancen, daß es bei der Versammlung zu einer Annahme des neuen Vorschlags der beiden Vermittler David Owen und Thorvald Stoltenberg kommt, stehen schlecht. Präsident Alija Izetbegovic erklärte auf einer Pressekonferenz in der bosnischen Hauptstadt am Sonntag abend, er werde der "Versammlung" nicht empfehlen, dem Kompromiß zuzustimmen.
Die Vorsitzenden der internationalen Friedenskonferenz, Lord Owen und Thorvald Stoltenberg, hatten den Vertretern der Serben, Muslime und Kroaten erst am Freitag das Kompromißpapier zum Überdenken bis zum 30.8. übergeben und die Friedensgespräche bis zu diesen Termin vertagt. Konferenzsprecher John Mills hatte angekündigt, das Treffen am 30.8. werde das letzte sein.
Nach bosnischen Angaben sollte die Tagung der "Versammlung" in Sarajevo spätestens am Freitag begonnen werden. "Wir müssen die guten und die schlechten Seiten des Kompromisses abwägen", meinte Izetbegovic. "Aber wenn in Genf jemand verloren hat, dann waren es nicht nur wir (Moslems), sondern auch Europa." Der bosnische Präsident betonte, daß seine Regierung weiter verhandeln wolle. Wenn aber in Genf keine für die Bosnier akzeptable Verhandlungslösung zu erreichen sei, bleibe ihnen nichts übrig, als weiter zu kämpfen.
Auch die bosnischen Serben stellen derweil den neuen Genfer Kompromiß wieder in Frage, dem sie am Freitag noch "prinzipiell" zugestimmt hatten. Der selbsternannte "Präsident" der international nicht anerkannten "Serbischen Republik" in Bosnien-Herzegowina, Radovan Karadzic, betonte in einem Interview mit der Belgrader Zeitung Politika, daß die Landumverteilung auch bei einer Annahme durch das "Serbenparlament" im Sarajevoer Vorort Pale nicht zu Ende sei. Die bosnische Serben hätten im Neretva-Tal "historische Ansprüche", die nicht aufgegeben werden könnten. Außerdem erhob Karadzic erneut Anspruch auf einen Zugang zur Adria, wobei er den zu Kroatien gehörenden Küstenstreifen nordwestlich von Dubrovnik ansprach.
Derweil wurde an fast allen Fronten wieder gekämpft. Bosnische Armee und serbische Truppen haben sich am Montag morgen nach Berichten der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug heftige Kämpfe in der Nähe der Stadt Brcko geliefert. In der Nachbarrepublik Kroatien wurde in der Nacht zum Montag die Brücke bei Maslenica, die einzige Landverbindung zwischen Zentralkroatien und der Adriaküste, erneut von Granaten zerstört.