Das selbsternannte "Parlament" der bosnischen Serben hat am Samstag morgen den UNO-Friedensplan für die ehemalige jugoslawische Republik abgelehnt. In einer Resolution sprach sich die Versammlung unter Leitung des nicht gewählten "Präsidenten" der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, trotzdem für eine Fortsetzung der Friedensverhandlungen aus. Die Anwesenheit ausländischer Truppen in Bosnien- Herzegowina lehnen die bosnischen Serben weiterhin ab. Ihre Truppen kontrollieren über 70 Prozent des Gebietes der Republik. Nach dem Vance-Owen-Plan wären den Anhängern Karadzics nur 30 Prozent verblieben. Grundlage weiterer Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien müßte der Status quo in Bosnien sein. Vorerst wollen die bosnischen Serben sich weiterhin an den seit einer Woche geltenden Waffenstillstand halten. Ein Ende der Zusammenarbeit mit den im ehemaligen Jugoslawien aktiven internationalen Organisationen drohte das "Parlament" für den Fall an, daß die "antiserbische" Politik dieser Organisationen nicht eingestellt werde.
Im New Yorker UNO-Hauptquartier wurde die Ablehnung des Vance-Owen-Friedensplanes mit Resignation aufgenommen. "Wir machen Notfallbehandlung", so ein UN-Sprecher gegenüber AFP, "aber die eigentliche Krankheit, die Teilung der Macht in Bosnien- Herzegowina, behandeln wir nicht." Trotzdem hätte das humanitäre Engagement der Vereinten Nationen auf dem Balkan seinen Sinn. Die Hilfsgüterabwürfe und auch die Stationierung von bisher 9.000 UNO-Blauhelmen hätte "mit Sicherheit" Schlimmeres verhindert. Bisher wurden in Bosnien- Herzegowina mehr als 100.000 Menschen getötet. Mehrere Millionen Bürger wurden aus ihren Heimatorten vertrieben.
Die Behörden der seit Monaten von serbischen Milizen belagerten muslimischen Enklave Srebrenica verboten am Sonntag nachmittag unerwartet die weitere Evakuierung der Stadt. Die Transporte von Zivilpersonen aus dem Kriegsgebiet unterstützen nach Ansicht der muslimischen Verteidiger die Politik der ethnischen Säuberung in Bosnien. Nach Protesten der UNO in der serbischen Hauptstadt Belgrad war am Sonntag mittag ein weiterer Konvoi mit 16 Lastwagen in Srebrenica eingetroffen. Dort sind nach wie vor 60.000 Flüchtlinge eingeschlossen. Acht der Fahrzeuge waren mit Medikamenten und Nahrungsmitteln beladen, die anderen fuhren leer nach Srebrenica. Dort sollten die LKWs Verwundete, Frauen und Kinder aufnehmen.
Die Hilfsflüge für die seit einem Jahr von den Truppen der Serben belagerte bosnische Hauptstadt Sarajevo konnten am Sonntag nach 16tägiger Unterbrechung wieder aufgenommen werden. Noch am Sonntag sollten nach Angaben der dort stationierten UNO- Schutztruppen weitere 18 Maschinen in Sarajevo landen. Die Luftbrücke war unterbrochen worden, nachdem ein britisches Flugzeug am 18. März beim Landeanflug nur knapp von einem Geschoß verfehlt worden war. Der seit Sonntag vor einer Woche gültige Waffenstillstand wurde am Wochenende erneut an verschiedenen Stellen gebrochen.
Im Osten Bosniens wurden bei einem serbischen Angriff ein kanadischer UNO-Soldat und ein amerikanischer Journalist verletzt. Die Kämpfe hatten nach Angaben der UN-Schutztruppen für das ehemalige Jugoslawien (UNPROFOR) schon am Freitag erneut begonnen und seien bis Samstag abend ununterbrochen fortgesetzt worden. Den Truppen der bosnischen Serben gelang es dabei, bis auf 500 Meter an die Stadtgrenze Srebrenicas heranzukommen. Radio Sarajevo meldete am Sonntag den Beschuß der muslimischen Industriestadt Tuzla. Auch im Hinterland der kroatischen Küstenstadt Zadar kam es wieder zu Kämpfen zwischen kroatischer Nationalgarde und Milizen aus der mehrheitlich von Serben bewohnten Krajina. In der serbischen Hauptstadt Belgrad demonstrierten am Samstag 1.500 Menschen gegen den Krieg in Bosnien.