Auf den Tag genau vor einem Jahr titelte die taz: "Friede auf Erden - Bomben auf Bosnien". Heute sind es Granaten. Die Waffenruhe in Bosnien-Herzegowina konnte jedenfalls gestern nicht wie geplant um 12 Uhr in Kraft treten. Das teilte der UN-Sonderbeauftragte für das ehemalige Jugoslawien, Yasushi Akashi, nach Gesprächen in Sarajevo mit. Die Feuerpause wird demnach frühestens heute mittag beginnen. Zuvor hatte sich herausgestellt, daß der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter bei seinen Verhandlungen mit den bosnischen Kriegsparteien in der letzten Woche einige Punkte übersehen hatte.
Offiziell hieß es in Sarajevo, bei den Gesprächen zwischen Vertretern der Serben und der bosnischen Regierung über den Beginn der Waffenruhe seien "Formulierungen strittig gewesen, die sich auf den geplanten Gefangenenaustausch bezogen". Zudem kommen die muslimischen Separatisten des Ex-Managers Fikret Abdic in dem Carter-Vorschlag offenbar genausowenig vor wie die der "Serbischen Republik Krajina" im benachbarten Kroatien. Beide kämpfen bei Bihac auf serbischer Seite gegen die Truppen der Regierung in Sarajevo.
Die Gefechte in der "Bihac-Tasche", einer von sieben UN-Schutzzonen in der umkämpften Republik, gingen derweil weiter. Nach Angaben der kroatischen Zeitung Vecernji List wurden seit Beginn der serbischen Offensive 520 Zivilisten getötet, darunter 166 Kinder. Insgesamt 3.870 Menschen seien verletzt worden, die medizinische Versorgung der 200.000 Menschen sei katastrophal. Serbenführer Radovan Karadzic kündigte unterdessen an, seine Truppen würden die Feuerpause einhalten - unabhängig von einer Unterschrift. UN-Unterhändler Akashi wollte sich gestern am späten Nachmittag erneut mit Vertretern der Kriegsparteien treffen. Bei den Gesprächen soll es einerseits um die bis zum 1. Januar befristete Feuerpause, andererseits um den Teilungsplan der internationalen Kontaktgruppe gehen. Offenbar sehen die bosnischen Serben in dem von Diplomaten der USA, Rußlands, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands ausgehandelten Vorschlag weiterhin nur eine "Basis" für weitere Verhandlungen. Die bosnische Regierung dagegen besteht auf der dort festgelegten Aufteilung der Republik. Demnach stünden ihnen 51, den Serben 49 Prozent des bisherigen bosnischen Territoriums zu. Unterhändler Carter hatte dies am Mittwoch als "semantische Unstimmigkeiten" bezeichnet.