Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

"So lässt sich der Konflikt nicht lösen"

Horst Grabert, ehemaliger deutscher Botschafter in Jugoslawien, plädiert gegen einen Einsatz deutscher Tornados in Bosnien | Interview Rüdiger Rossig

Frage: Warum fordert die Nato gerade jetzt deutsche Tornados zur Unterstützung an?

Horst Grabert: Die Nato muß natürlich im Zuge der Überlegungen, die Blauhelme abzuziehen, auch die Frage untersuchen, wie das gehen soll, wenn Widerstand geleistet würde.

Bezieht sich die Forderung denn einzig auf den Fall, daß die UN-Schutztruppen aus Bosnien abgezogen werden?

Die USA haben mehr als deutlich ihren Willen betont, das Waffenembargo aufzuheben, und Großbritannien und Frankreich erklären, daß sie ihre Blauhelme in diesem Fall abziehen würden. Die Generalität in Brüssel muß nun prüfen, wer in dem Fall, daß ein Abzug nicht ohne Gewalt möglich ist, die entsprechenden Luftabwehrsysteme ausschaltet.

Braucht es dazu unbedingt deutsche Maschinen?

Von den europäischen Verbündeten haben nur die Deutschen die entsprechenden Systeme. Wenn die Deutschen nun nein sagen - was ja Herr Kinkel schon angedeutet hat -, dann müßten die Amerikaner diese Aufgabe übernehmen. Abseits dessen werden Engländer und Franzosen sich gedacht haben, daß es ja nicht angeht, daß die Deutschen immer die großen Reden halten, sich dann aber nicht beteiligen, wenn es ernst wird.

Die innenpolitischen Chancen für eine Beteiligung deutschen Militärs an einer Aktion in Bosnien sind aber sehr gering.

Die deutsche Politik weiß nicht, was sie will: Die bellizistische Variante oder die Aufrechterhaltung des Waffenembargos und den Verbleib der Blauhelme. Innenpolitisch gehe ich davon aus, daß die Opposition gegen eine deutsche Militärbeteiligung stimmen wird. Interessanter scheint mir die Frage, was die deutsche Politik im Fall eines UN-Abzuges will. Die Mischung zwischen militärischer Drohung und unparteiischer Friedenserhaltung ist keine überzeugende Politik.

Was wäre die Wirkung eines deutschen Militäreinsatzes vor Ort in Ex-Jugoslawien?

Das würde auf eine weitere Verschärfung des Konflikts hinauslaufen. Das ist das, was ich die bellizistische Lösung nenne: Man sagt, es muß eine politische Lösung geben, de facto aber wird versucht, sie durch kriegerische Mittel herbeizuführen. Ich persönlich habe aber nicht den Eindruck, daß die Bundesregierung einer militärischen Lösung zuneigt. Ich hielte es für vernünftig, sich für eine Fortsetzung der UN-Mission, den Verbleib der Blauhelme und die Aufrechterhaltung des Waffenembargos stark zu machen.

Was raten Sie der deutschen Politik?

Man müßte mit den Kriegsparteien anders umgehen, nämlich tatsächlich unparteiisch. Denn wenn man eine Kriegspartei ermuntert, die Lösung auf dem Schlachtfeld zu suchen, dann darf man sich nicht wundern, daß die das auch tut. Das bedeutet auch Abschied von der Vorstellung, die Serben seien die Bösen. Ich erinnere an Kinkels unglückseligen Ausspruch, daß Serbien in die Knie gezwungen werden muß. Das ist nicht die Einstellung, mit der ein europäischer Konflikt gelöst werden kann.

Horst Grabert (67, SPD) ist Mitbegründer der Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegungen im ehemaligen Jugoslawien