Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Mazedonien vs. Griechenland: Der andere Konflikt

Wenn immer es irgendwo auf der Welt brennt wird der Ruf laut: Die Europäische Union soll helfen und vermitteln. Das gilt besonders, wenn es in der Nachbarschaft Europas kriselt | Von Rüdiger Rossig

Derzeit beschäftigen sich die 27 Mitgliedsstaaten der EU vor allem mit dem Krieg in Georgien. Im Kaukasus will Europa vier Völker – Georgiern, Abchasen, Osseten und Russen – dabei unterstützen, ihre Konflikte zu lösen.

Angesichts der reichen Erfahrung, die die europäischen Staaten mit nationalen Konflikten haben, scheint die EU als ehrlicher Makler eine Idealbesetzung zu sein. Aber es gibt einen Schönheitsfehler: Auch im heutigen Europa sind sich bei weitem nicht alle Nationen grün.

Seit 17 Jahren liegt das EU-Mitgliedsland Griechenland im Klinsch mit einem Nachbarstaat, der so schnell wie möglich EU-Mitglied werden will: der Republik Mazedonien.

Offiziell stört man sich in der griechischen Hauptstadt Athen am Namen des des zwei-Millionen-Einwohner-Gebietes um die Hauptstadt Skopje: Der Begriff „Mazedonien“ gehört nach griechischer LESART einzig Griechenland, weil dort mit Alexander dem Großen im dritten Jahrhundert vor Christus ein Grieche das Sagen hatte.

Das ist sicher richtig – nur sind seit den Zeiten des großen Alexander mehr als zweitausend Jahre vergangenen. Völker sind gewandert. Grenzen wurden geändert. Kurz: Die Geschichte ging weiter.

Trotzdem verhinderte das elf-Millionen-Einwohner-Land Griechenland nach der Unabhängigkeit Mazedoniens von Jugoslawien 1991 zwei Jahre lang dessen Aufnahme in die Vereinten Nationen. Dann verhängte Athen Wirtschaftssanktionen gegen die zwei Millionen Mazedonier.

1995 wurde die Blockade aufgehoben. Griechenland erklärte sich bereit, die Unabhängigkeit Mazedoniens anerkennen – allerdings nur unter dem vorläufigen offiziellen Namen „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“.

Doch der Streit zwischen Athen und dem Kleinstaat, der in Griechenland nach seiner Hauptstadt nur „Skopje“ genannt wird, geht weiter. Zuletzt scheiterte die Aufnahme Mazedoniens in die Nato am griechischen Widerstand. Und weil die EU zu keiner Lösung kam, wurde ein UN-Vermittler eingeschaltet, um die Namensfrage zu lösen.

Dabei gibt es gute Gründe, zu bezweifeln, dass es beim Streit zwischen Athen und Skopje überhaupt um den Begriff Mazedonien geht. Am Ende des griechischen Bürgerkrieges 1949 flohen zehntausende Anhänger der unterlegenen Kommunisten ins damals kommunistische Jugoslawien. Viele von ihnen sprachen von Hause aus nicht etwa griechisch, sondern slawisch. Daher ließen sie sich in der slawisch-sprachigen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien nieder.

Die Nachfahren der Vertriebenen - nach mazedonischen Angaben etwa 60.000 Personen - fordern von Athen eine Rückgabe ihrer Besitztümer oder doch zumindest eine Entschädigung. Und sie werden dabei von der Regierung in Skopje unterstützt. Es geht etwa zehn Milliarden Euro – und um die Anerkennung der Vertriebenen und ihrer Nachfahren als slawisch-mazedonische Minderheit in Griechenland.

Doch eben eine solche Minderheit hat es nach Auffassung Athens in Griechenland nie gegeben. Bis heute lernen griechische Kinder in der Schule, ihr Land würde seit der Antike einzig von Hellenen, von klassischen Griechen bewohnt. Ein Geschichtsbild, dass historische Perioden wie das römische oder das osmanische Reich einfach auslässt.

Was hat das alles mit dem Kakasus zu tun? Ein Europa, dass mit seinen Vermittlungsbemühungen in Georgien oder sonstwo auf der Welt erfolgreich sein will, kann sich Konflikt wie den griechisch-mazedonischen nicht leisten. Die EU hätte längst aktiv in die Auseinandersetzung eingreifen sollen.

Die deutsch-französische Annährung hat nicht nur lange gedauert. Sie wurde auf beiden Seiten kräftig unterstützt - sowohl von Seiten der Staaten als auch von der Zivilgesellschaft.

Heute, nach drei, vier Generationen, die in Deutschland und Frankreich mit aktiven Städtepartnerschaften aufgewachsen sind, mit regelmäßigem Jugendaustausch, Diskussionen über beide Länder und ihre Geschichte, mit französischem Wein und deutscher Küche, ja vor allem mit dem Gefühl, dass auf der anderen Seite des Rheins Menschen wie Du und ich leben, sind wir so weit, dass sich die ehemaligen Erbfeinde weitgehend vorbehaltlos gegenüber treten.

Warum sollte das auf dem Balkan oder im Kaukaus anders sein?

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