Die Balkanpolitik ist nicht tot - sie zuckt noch. Fünf Wochen nach Beginn der Nato- Luftangriffe gegen Jugoslawien vergeht kaum ein Tag, ohne das irgendein mehr oder minder großer Staatsmensch seinen Vorschlag präsentiert, wie mit den Problemen Südosteuropas doch noch zivil oder zumindest weniger militärisch umgegangen werden könnte. Doch wer meint, nun ein heftiges "Gott sei Dank!" für die Rückkehr der Politik ausstoßen zu müssen, irrt. Denn bei näherem Hinsehen erweisen sich die "neuen" Ideen als alte Hüte.
Für das ab dem Wochenende geltende Öl-Embargo der EU gilt das in verschärfter Form: Schließlich hat die internationale Gemeinschaft mittlerweile acht Jahre Erfahrung mit Sanktionen gegen Belgrad. Genutzt haben sie nur Milosevic: Seine Klientel verkaufte die Güter, die sanktionsbedingt nicht zu haben waren, teuer auf dem Schwarzmarkt. Mit Handel von knappen, für die Menschen unverzichtbaren Produkten - von Konsumgütern bis zu Öl - finanzierten sich die mit der herrschenden Clique verbundenen kriminellen Milizen, die Bosnien "ethnisch säuberten". Den Preis zahlte die ganz normale serbische Bevölkerung, die ohnmächtig zusehen mußte, wie ihre letzten Ersparnisse benutzt wurden, um Milosevic' Eroberungspolitik zu finanzieren. Und diese Menschen - nicht der Präsident - waren es auch, die 1996 aufatmeten, als die UN-Sanktionen gegen ihr Land in Folge des Dayton-Vertrages teilweise aufgehoben wurden. Als Folge der Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebensumstände organisierten die Belgrader Studenten die Massenproteste gegen den Betrug Milosevic' bei den Kommunalwahlen - die bisher größte Bedrohung des Regimes.
Der Europäischen Union ist das offenbar nicht bewußt. Sonst wäre den Außenministern wohl aufgefallen, daß ihre Entscheidung für ein Öl-Embargo gegen Jugoslawien nicht etwa den internationalen Druck auf das dortige Regime, sondern die Not der Zivilbevölkerung verschärft. Vertreibung, Mord und Folter im Kosovo wird das Embargo dagegen genausowenig stoppen wie die Bomben der Nato. Im Gegenteil: Bald wird es der Gangsterbande, die Serbien beherrscht, noch leichter fallen, ihre Bevölkerung zu bestehlen. Mit einer nachhaltigen Befriedungspolitik hat das nichts zu tun. Die Militärs werden also - in Ermangelung gangbarer politischer Alternativen - weiterbomben.