Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Gesucht: ein ehrlicher Makler

Mit Milosevic kann es keinen Frieden geben. Deshalb muß man der serbischen Opposition ein akzeptables Angebot machen | Von Paul Hockenos

Nach einer Woche Krieg ist es unwahrscheinlich, daß die Nato-Staaten oder die jugoslawische Führung noch in der Lage sind, über eine Verhandlungslösung für den Kosovo zu sprechen. Beide Seiten sind nun damit beschäftigt, kurzfristige militärische Ziele zu verfolgen. Der Balkan wird zusehends destabilisiert.

Dabei ist ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiß durchaus möglich - nur kann er nicht von den Führern der Nato mit Präsident Milosevic verhandelt werden. Einzig Rußland kann jetzt noch einen Vorschlag unterbreiten, der sowohl für den Westen als auch für die Serben und die Kosovo-Albaner akzeptabel ist.

Dabei muß von Anfang an klar sein, daß Milosevic selbst nicht Teil eines Friedensangebots sein kann. Eine russisch geführte Friedensinitiative müßte sich deshalb nicht an den jugoslawischen Präsidenten, sondern an die serbische Opposition und das durch die Nato-Angriffe geschwächte Militär richten. Beide Gruppen könnten gemeinsam den Weg für eine Lösung nicht nur für das Kosovo, sondern für den ganzen Balkan frei machen. Und gleichzeitig helfen, die angespannten russischen Beziehungen zum Westen aufzulockern.

Die Richtung müßten von der UN unterstützte russische und vielleicht auch griechische Diplomaten vorgeben. Ihre Ablehnung der Nato-Bombardierungen und ihre fühlbare Zuneigung zu den orthodoxen Serben gibt ihnen jene Glaubwürdigkeit, die den USA, Großbritannien oder Deutschland fehlt. Trotz Moskaus kontraproduktiver und übertriebener Rhetorik hat man dort an einer friedlichen Lösung der Krise ein mindestens ebenso großes Interesse wie die Nato-Staaten: Rußland liebt Milosevic nicht besonders - mit einem diplomatischen Erfolg dagegen könnte das Land sein zu Hause wie auch außerhalb angeschlagenes Image verbessern.

Was Milosevic angeht, so haben die drei Balkan-Kriege seit 1991 ohne Zweifel bewiesen, daß eine konstruktive und längerfristige Lösung auf dem Balkan mit Milosevic unmöglich ist. Auch die offenkundige Niederlage Belgrads auf dem Schlachtfeld ändert daran nichts: Milosevic war immer bereit, sein Land oder auch das Kosovo seinem eigenen Machterhalt zu opfern. Selbst wenn also Nato-Truppen zusammen mit der albanischen UÇK Serbien im Kosovo besiegen würden, könnte der Despot die Kontrolle behalten und vielleicht sogar stärker sein als heute. Serbien wäre in diesem Fall eine besiegte, erniedrigte und völlig isolierte Nation - das perfekte Umfeld für jeden Diktator.

Dies wird sich nur ändern, wenn reformorientierte Kräfte in Serbien an die Macht kommen und somit der Prozeß der Demokratisierung des Landes beginnt. Entsprechende oppositionelle Kräfte exisitieren und haben bereits jetzt reale Macht - in Belgrad, in Montenegro, in der Vojvodina und im ausländischen Exil.

Für einen echten Friedensprozeß ist es unumgänglich, sie und die internationalen Vermittler mit enttäuschten Teilen des jugoslawischen Militärs und der Sicherheitskräfte, die die derzeitige sinnlose Zerstörung des Landes ablehnen und keine Zukunft als verarmter Paria-Staat wollen, zu verbinden. Es liegt im offensichtlichen Interesse dieser Kreise, daß Serbien mit soviel Territorium und militärischem Material wie möglich überlebt.

Wenn also ein russisch-griechisches Verhandlungsteam diese Gruppen erreichen und ihnen glaubwürdig internationale Unterstützung versprechen kann, sind die Voraussetzungen für einen Putsch gegen Slobodan Milosevic gegeben. Im Klartext: Montenegro hat sich bereits jetzt von der zerstörerischen Politik des jugoslawischen Präsidenten distanziert. Die serbische Öffentlichkeit, die Milosevic derzeit so gut wie einhellig unterstützt, könnte sich schnell einer serbischen Opposition mit einleuchtendem politischem Konzept zuwenden - sofern diese etwas Besseres zu bieten hat als der Belgrader Despot.

Deshalb muß den moderaten Serben jetzt ein Verhandlungsangebot unterbreitet werden, das für alle Beteiligten annehmbar ist: Im Austausch gegen eine Beendigung der jugoslawischen Offensive im Kosovo und mit Annahme der politischen Bedingungen von Rambouillet rückt ein multinationales Kontingent der Vereinten Nationen mit einem robusten Peace-keeping-Mandat ein - nicht etwa eine UN-Friedenstruppe oder die Nato.

Im Austausch müßten die Bombardierungen eingestellt und alle wirtschaftlichen Sanktionen gegen Serbien sofort aufgehoben werden. Serbien muß zudem westliche Hilfe erhalten, um seine Wirtschaft wiederaufzubauen - und dann die lange überfällige demokratische Reform des Landes angehen. So würden sowohl die Serben als auch die Russen, die Nato und die UN gewinnen. Einzig Milosevic wäre der Verlierer. Gleichzeitig würden sich die russischen Verbindungen zum Westen wieder verbessern. Der UN-Weltsicherheitsrat würde - gestärkt durch neue Verantwortung - seine neue Mission im Kosovo beginnen können.

Die Kritik, daß die UN nach dem Debakel der UN-Friedenstruppen in Bosnien dafür nicht gerüstet sei, greift zu kurz. Ausgerüstet mit einem schärferen Mandat und ernsthaft unterstützt durch die Mitgliedsstaaten - allen voran die USA - kann die UN eine solche Friedenstruppe durchaus realisieren. Zumal jetzt, nach den Luftangriffen, jegliche Nato-Präsenz wie eine Besetzung Jugoslawiens wirken würde und damit für die serbische Seite unannehmbar wäre. Die UN dagegen hätte eine international sanktionierte Rolle als Friedenserhalter. Ein Kommandant aus einem unbeteiligten Land wie Schweden würde dieser Friedenstruppe gut anstehen.

Natürlich: Über die Frage, ob ein Putsch, ein Staatsstreich oder gar ein Bürgerkrieg gegen Milosevic und seine Anhänger erfolgreich sein kann, läßt sich nur spekulieren. Aber während der Luftkrieg der Nato Serbien in die Knie zwingt, könnte die militärische Elite sich sehr wohl auch gegen den Autokraten stellen - so wie sich 1989 das zuvor loyale Militär in Rumänien gegen den Diktator Ceausescu stellte.

Die Demokratisierung Serbiens ist eine Vorbedingung für Frieden auf dem Balkan, so wie Rußlands Partnerschaft mit dem Westen der Schlüssel zu langfristiger Stabilität in Europa ist. Isolation und Ausschluß nutzten einzig und allein den Hardlinern. Wenn Moskau wie ein gleichrangiger Partner in Europa behandelt werden will, dann muß es sich in dieser europäischen Krise auch konstruktiv engagieren.


Aus dem Englischen von Rüdiger Rossig