Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien trifft man am Berliner Ku'damm, in den Basaren Istanbuls, in der Budapester U-Bahn. Die Wohnung eines durchschnittlichen exjugoslawischen Gastarbeiters im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt ist statistisch mit 12 Personen belegt, in Paris und Prag bildet sich um geflohene Künstler ein neues Szeneleben. Um Zulauf müssen sich die neuen Communities nicht sorgen: UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali rechnet mit weiteren 250- bis 300.000 Flüchtlingen bis Ende 1993.
Seit den ersten Schießereien zwischen slowenischer Territorialverteidigung und "Jugoslawischer Volksarmee" (JNA) am 27. Juni 1991 haben über zweieinhalb Millionen Menschen ihre Städte und Dörfer verlassen müssen. Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) sind seit Beginn der Kämpfe 458.000 "Displaced Personalities" in Serbien und 516.000 in den zur Zeit als sicher geltenden Gebieten Kroatiens untergekommen. Weitere 810.000 Vertriebene versuchen noch immer, außerhalb der Kriegsgebiete Zuflucht zu finden, oder sitzen in den "UN-Schutzzonen" fest. 52.000 KroatInnen und BosnierInnen haben in Slowenien Aufnahme gefunden.
Rund 1,3 Millionen Flüchtlinge halten sich im August 1993 außerhalb des ehemaligen Jugoslawien auf. An der Spitze der Aufnahmeländer steht die Bundesrepublik Deutschland. 255.000 Flüchtlinge aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien befinden sich nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums derzeit in den alten und neuen Bundesländern.
Seiner starken jugoslawischen Vorkriegs-Community verdankt Schweden 74.100 Kriegsflüchtlinge. Das ist der Regierung in Stockholm zuviel: Zusammen mit Dänemark, das nach Angaben des UNHCR 6.500 Menschen aufgenommen hat, kündigte Schweden vor zwei Monaten die Einführung von Visa für BosnierInnen an. An den Grenzen der seit 14 Monaten umkämpften Republik sollen gemeinsame skandinavische Konsulate eingerichtet werden, um die Verteilung der Einreisedokumente zu organisieren.
In Österreich halten sich nach Wiener Angaben 65.000 ExjugoslawInnen auf, in Italien sind es laut UNHCR 17.000. Die 15.000 offiziell gemeldeten Kriegsflüchtlinge in der Türkei setzen eine lange Tradition balkanischer Migration fort. Über sechs Jahrhunderte hatten türkische Sultane große Teile Südosteuropas beherrscht, seit dem Niedergang des Osmanischen Reiches am Ende des letzten Jahrhunderts waren aus den europäischen Balkanländern immer wieder Millionen von Menschen den ehemaligen Kolonialherren gefolgt. Die meist muslimischen Flüchtlinge in Edirne oder Istanbul kommen daher oft bei Verwandten oder Bekannten unter.