Nach Angaben des ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter wollen die bosnischen Serben am 23. Dezember alle Kampfhandlungen in Bosnien-Herzegowina einstellen. Das gelte auch für die seit Wochen schwer umkämpfte UN-Schutzzone Bihac im äußersten Westen des Landes, sagte Carter nach einem dreistündigen Gespräch mit dem selbsternannten "Präsidenten" der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und dessen "Generalstabschef" Ratko Mladic in Pale bei Sarajevo. Die Waffenruhe werde Verhandlungen über ein Ende des Krieges einleiten und solle an allen Frontabschnitten von UN-Truppen überwacht werden. Über die Dauer der Feuerpause lagen bis Redaktionsschluß noch keine Angaben vor.
Der angebliche Erfolg der "privaten Sondierungsmission" Carters löste international Verwirrung aus. Noch kurz vor Eingang der von den Agenturen als Eilmeldung versandten Nachricht hatte es ganz so ausgesehen, als sei der Ex-Präsident bei seinem Besuch in Pale gescheitert. Tatsächlich scheint Karadzic Carter ein Musterbeispiel serbischen Verhandlungsgeschicks geliefert zu haben: Noch am Montag abend hatte er jegliche Einstellung der Kämpfe von einer Veränderung des Teilungsplanes der internationalen Kontaktgruppe abhängig gemacht. Nachdem Carter dann gestern vormittag stolz verkündet hatte, in nur zwei Tagen einen viermonatigen Waffenstillstand erreicht zu haben, erklärte Karadzic gegenüber dem US-Fernsehsender CNN, das Angebot sei "nur die erste Phase einer allgemeinen Lösung". Bis diese erreicht sei, würden die serbischen Truppen an allen Fronten die Initiative behalten.
Die bosnische Regierung hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits für den Waffenstillstand ausgesprochen - vorausgesetzt, daß die serbische Seite die im Kontaktgruppen-Plan geforderte Aufteilung der ex-jugoslawischen Republik anerkennt. Nach den Vorstellungen der aus Diplomaten der USA, Rußlands, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands bestehenden Kontaktgruppe soll Bosnien im Verhältnis von 51 zu 49 Prozent zwischen Muslimen und Kroaten auf der einen und Serben auf der anderen Seite aufgeteilt werden.
Bosniens Ministerpräsident Haris Silajdzic räumte in einem Gespräch mit der der BBC gar erstmalig die Möglichkeit eines Sonderstatus für die bosnischen Serben innerhalb eines erneuerten bosnischen Staates ein. Demnach soll der Bevölkerungsgruppe das Recht zugestanden werden, "Sonderbeziehungen" zu Serbien zu unterhalten. Die bosnische Regierung hatte bereits im September einen zeitlich begrenzten Waffenstillstand gefordert. Die Serben dagagen hatten bisher immer auf einem unbegrenzten Waffenstillstand bestanden - in der Hoffnung, so ihre Eroberungen absichern zu können.