Stefan Wirners "Installation Sieg" ist ein lesenswertes Buch. Dabei hat der Autor nicht viel mehr getan, als Berichte und Kommentare deutscher Zeitungen und Zeitschriften aus der Zeit des Kosovo-Krieges chronologisch aneinander zu hängen. Herausgekommen ist eine Collage, die vor allem eines klarmacht: wie wenig die Deutschen von dem wissen, was da unten auf dem Balkan vorgeht.
Das kleine Buch des Germanisten lebt von harten, unvorhersehbaren Sprüngen im Text - die entstehen durch die Mischung so unterschiedlicher Medien wie dem kostenlosen Anzeigenblättchen 15 Uhr aktuell, der Boulevardpostille Berliner Kurier oder seriösen Zeitungen wie FAZ und Zeit. Zudem hat Wirner völlig auf die Trennung der journalistischen Genres verzichtet: Kommentare, Berichte und Schlagzeilen wechseln sich ab, ohne dass ein neuer Absatz beginnen würde.
Beim Lesen vermittelt sich dadurch der Eindruck, der Ton ändere sich ständig: mal hart, dann weich, mal sensationsgierig, dann wieder seriös. Eben ganz so, wie die Berichte vor und während der Bombardierung Jugoslawiens auch waren. Nur eines ändert sich nicht: Slobodan Milosevic und die Serben sind die Bösen, die Kosovo-Albaner eine bedrohte Minderheit und die Bomber des westlichen Bündnisses deren einzige Rettung. Wer nun allerdings meint, aus diesem ungewöhnlichen Konsens ansonsten völlig unterschiedlicher Medien die Fratze der westlichen Propagandamaschinerie analysieren zu können, hat nicht begriffen, wie Berichterstattung unter den Bedingungen des freien Marktes funktioniert.
Vielmehr zeigt "Installation Krieg" klar, dass zahlreiche Berichte, mit denen die Medien der westlichen Industriegesellschaften ihre Seiten und Sendezeiten füllen, tatsächlich nur aus wenigen Quellen gespeist werden. Im Falle des Kosovo-Krieges waren das nicht etwa mutige Reporter, die frei aus der südserbischen Provinz berichteten. Im Gegenteil: Die Zensurpolitik sowohl der jugoslawischen Seite als auch der Nato machte eben das weitgehend unmöglich.
Die Informationen, die der westlichen Öffentlichkeit serviert wurden, kamen also bestenfalls von Journalisten, die sich in unmittelbarer Nähe des Kosovo aufhielten; im schlechtesten Fall waren die Urheber der Geschichten die Kriegsparteien. Dazwischen gab es - wie wohl in jedem Konflikt - vielerlei: Aussagen von Flüchtlingen, denen in vielen Fällen an Übertreibung gelegen haben mag; Geheimdienstdossiers, über deren zweifelhaften Gehalt sich spätestens seit der Diskussion um Rudolf Scharpings "Hufeisenplan" eigentlich niemand mehr Illusionen machen muss; nicht zu vergessen die vielen "kalt geschriebenen" Berichte, die vorgaben, ganz nah am Geschehen dran zu sein, während ihre Autoren in Wirklichkeit nur am Redaktionsschreibtisch Agenturberichte zusammenfassten.
Stefan Wirner hat also keineswegs eine "Kalligraphie", also eine Schönschrift des Bombenkrieges der Nato gegen Slobodan Milosevic Jugoslawien verfasst, wie er im Untertitel seines Büchleins meint. Genauso wenig ist das Büchlein "ein modernes Epos", also eine Darstellung eines sagenhaften, mythischen Geschehens. Vielmehr spiegelt "Installation Sieg" gekonnt die Sicht der bundesdeutschen Presse auf den jüngsten Krieg auf dem Balkan in all ihrer Ahnungslosigkeit ob der balkanischen Wirklichkeit.
Stefan Wirner: Installation Sieg. Kalligraphie des Krieges. Ein modernes Epos, Verbrecher Verlag, Berlin 1999, 130 Seiten, 19,80 Mark