Rüdiger Rossig | Journalist | Novinar

Der bulgarische Trump

Für die nächsten sechs Monate leitet der Umweltminister Neno Dimov die Öko-Geschicke der EU. Die Klimawandel-Theorien hält er für Betrug, Umweltpolitik ist für ihn Sozialismus | Von Bernhard Pötter

„Die globale Erwärmung ist ein großes Geschäft mit der Angst“, „der weltweite Meeresspiegel wird sich durch die Eisschmelze nicht erhöhen“ und „die Temperaturen sind heute so hoch wie vor hundert Jahren“. Diese Aussagen sind keine Fake News von US-Präsident Donald Trump. Es sind Zitate eines Mannes, der derzeit an der Spitze der EU-Umwelt- und -Klimapolitik steht: Neno Dimov, bulgarischer Minister für Umwelt und Wasser – und für die kommenden sechs Monate Präsident der EU-Umweltminister. Ökologie findet er überflüssig, wissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel hält er für Betrug.

Seit 1. Januar hat zum ersten Mal Bulgarien den EU-Ratsvorsitz inne. Damit leitet erstmals ein Politiker die Umwelt- und Klimapolitik für 500 Millionen Europäer, der offen gegen den wissenschaftlichen Konsens über den Klimawandel und gegen die EU-Klimapolitik Stellung bezieht. Aktuell hält sich Dimov bei diesem Thema bedeckt. Aber bei seinen Äußerungen aus der Vergangenheit bleibt er. So erklärte er 2015 in einem Onlinevideointerview der Zeitung Sofia Globe, da sich „das Klima laufend ändere“ ,deute die Arbeit des UN-Klimarats IPCCC „mehr auf eine Manipulation als auf eine ernsthafte Sorge“ hin. Das EU-Klimaziel, bis 2030 die Emissionen um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, bringe nur „minimale Ergebnisse“, würde aber 500 Milliarden Euro kosten, „eine riesige Umverteilung durch den Staat“. Und: Zwar gebe es eine Erderwärmung, aber dafür sei nicht der Mensch verantwortlich.

Dimov ist Mathematiker und Doktor der Physik. Bevor er im Frühjahr 2017 auf Vorschlag der konservativen Partei DSB Umweltminister wurde, lehrte er an der Universität Sofia und war Chef eines rechten Thinktanks. Dimov arbeitete 1997 bis 2002 bei der Europäischen Umweltbehörde EEA und begleitete die EU-Beitrittsverhandlungen mit Bulgarien. Gerne erzählt er, die Umweltbewegung sei der neue Sozialismus, der die Menschen unfrei halte. Er kämpfe gegen „grünen Extremismus“, schreibt der bulgarische Journalist Ivaylo Atanasov. Die Umweltpolitik der Regierungen in Frankreich und Deutschland ist für Dimov nur eine „unerschöpfliche Quelle der Angst, um von deren gescheiterter Politik abzulenken“.

Über diese Ansichten können die EU-Regierungen, die Kommission und die Parlamentarier mit Dimov nun ausgiebig debattieren. Am heutigen Donnerstag beginnt die Vorstellung der bulgarischen Minister beim Europarlament, am Freitag trifft die EU-Kommission die bulgarische Regierung in Sofia. Eine Stellungnahme zu Dimov lehnte die EU-Kommission für Klima allerdings auf Anfrage der taz ab.

Dimov selbst wird am 24. Januar vor den EU-Parlamentariern erscheinen. Das werde ein „heißes Meeting“, verspricht der grüne Energieexperte Claude Turmes. „Wir werden ihn nach seiner Haltung zur Wissenschaft fragen und danach, wie er seine Rolle als Vorsitzender der EU-Minister ausfüllen will“, kündigt Turmes an. Als Chef der EU-Minister begleitet Dimov die Vorbereitungen für die nächste Klimakonferenz in Krakau im Dezember und die abschließenden Verhandlungen um das „Winterpaket“ der EU-Energiepolitik. Dabei geht es auch um Regeln, nach denen die EU-Länder ihre Klimapläne aufstellen sollen.

Eine taz-Anfrage nach seiner Haltung zur Klimawissenschaft beantwortet Dimov ausweichend. Seine Prioritäten seien saubere Luft (ein echtes Problem in Sofia) und neue CO2-Grenzwerte für Autos.

Zum Klimawandel schreibt Dimov: „Es gibt in Europa einen politischen Konsens über die Erderwärmung und die geplanten Maßnahmen. Bulgarien ist Teil dieses Konsenses.“ Im Übrigen wolle er sich auf „bessere Regulierung“ und „effektivere Umsetzung von Umweltgesetzen“ konzentrieren, um eine „nachhaltige Umwelt“ zu erreichen – alles Begriffe, die Dimov noch vor Kurzem verteufelte. Eine seiner Vorlesungen trug den Titel: „Nachhaltige Entwicklung ist der neue Sozialismus“.

Mitarbeit: Barbara Oertel, Rüdiger Rossig

taz