Rapper aus den postjugoslawischen Staaten haben spezielle Street Credibility: Zwar sind sie nicht wie ihre US-Vorbilder zwischen heruntergekommenen Hochhäusern, rassistischen Polizisten und brennenden Mülltonnen aufgewachsen, aber in einer Region, die von Kriegszerstörung, ethnischer Vertreibung und massiver Verarmung großer Teile der Bevölkerung gezeichnet ist.
HipHop kam spät an auf dem Balkan. Als die Popmusik-Szene des sozialistischen Jugoslawiens im Juni 1991 zusammen mit ihrem Staat zerbrach, waren Sprechgesang und Street Fashion in Westeuropa gerade erst dabei, Mainstream zu werden. Zwischen Ljubljana und Skoplje dominierten noch Punk, New Wave und Hardrock. Zwar experimentierten The Beat Fleet aus dem kroatischen Split oder Disciplina Kicme aus dem serbischen Belgrad mit Rap - aber eine HipHop-Szene entstand erst in der zweiten Hälfte der 1990er.
Die exjugoslawischen Rapper sind während des Kriegs aufgewachsen. Edin Osmic, der erste und wichtigste, nennt sich Edo Maajka, auf Deutsch: "Edo die Mutter". Er war 13, als seine ostbosnische Heimatstadt Brcko von der eigenen jugoslawischen Armee mit Granaten beschossen wurde. Edo floh nach Kroatien. 2002 nahm er dort, in der Hauptstadt Zagreb, das erste von mittlerweile fünf Alben auf - und erfand "Fmjam", die erste HipHop-Radioshow der Region, in der er bis heute einem nicht nur über das ganze Exjugoslawien, sondern wegen Krieg, Vertreibung und Verarmung über die ganze Welt verstreuten Publikum neue Talente zugänglich macht.
Edo rappt über das Leben zwischen prekären Einkommensverhältnissen und Kleinkriminalität im heutigen Bosnien und Kroatien. Musikalisch bleibt er dabei, von gelegentlichen balkanischen Einlagen abgesehen, weitgehend beim traditionellen HipHop. Textlich jedoch kommt der Bosnier immer wieder auf das Thema Balkankrieg zurück, schließlich prägt dieser seit über zwei Jahrzehnten die Menschen dort, wo Edo lebt.
"Mahir und Alma" (Mahir i Alma) etwa erzählt die Geschichte eines bosnisches Liebespaars. Die beiden sind gerade zusammengezogen, als ihre Stadt beschossen wird. Sie irren gemeinsam durch die Straßen, verlieren sich zwischen brennenden Häuser, verängstigten Menschen und Granateneinschlägen. Später wird ihm gesagt, sie sei tot. Irre vor Schmerz flieht er und kehrt erst Jahre später zurück, um zu erfahren, dass seine Geliebte lebt. Mahir ist überglücklich, bis er begreift, dass Alma mittlerweile Mutter der Kinder eines anderen Manns ist. Er geht aufs Klo und erschießt sich.
Das klingt nur dann pathetisch, wenn man nicht weiß, dass solche Geschichten in Exjugoslawien jeden Tag in der Zeitung stehen. Wenn man ständig mit Selbstmord, Tod und Verstümmelung durch Minen und anderen Nachkriegsschrecken konfrontiert ist, macht man man irgendwann Lyrics wie Edo oder sein Kollege Frenkie: voller Hass auf die Nationalisten aller Völker.
Es ist den Behörden der Bundesrepublik zu verdanken, dass aus dem 1982 im ostbosnischen Bijeljina geborenen Frenkie kein fränkischer Rapper wurde. Von 1992 bis 1998 lebte Adnan Hamidovic als Flüchtling in Nürnberg. Dort begann er mit dem Dichten und hatte schon seine ersten deutschen Texte geschrieben, als Deutschland die geflohenen Bosnier zur "Repatriierung" zwang.
Seit 1998 wohnt Frenkie im mehrheitlich muslimischen Tuzla. In seiner nur eine Stunde entfernten, seit dem Bosnienkrieg serbisch dominierten Heimatstadt haben Leute wie er, mit einem aus dem Türkischen stammenden Namen, auch heute, 18 Jahre nach Ende der Kämpfe in Bosnien, keine Perspektive.
Vor zehn Jahren entdeckte Edo Maajka Frenkie für seine Radioshow Fmjam, seitdem rappen die beiden regelmäßig im Duett - so auch morgen Abend auf Einladung des Berliner Elektro-Produzenten und DJ-Team Balkantronika in der Lehrter Siebzehn. Wer die Crème des exjugoslawischen HipHop hören und sehen will, muss da hin. RR
Freitag, 13. Dezember 2013, Lehrter Siebzehn - Open Project Space, Lehrter Str. 17, Einlass 21 Uhr, Eintritt 15 Euro. Infos und Vorbestellungen: This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it.