Drei Tage vor der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union (EU) hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) die Flüchtlingspolitik der Gemeinschaft scharf kritisiert. Die EU und deren Mitgliedstaaten trügen damit "zum Teil selbst zu Menschenrechtsverletzungen bei", erklärte Wolfgang Grenz, AI-Generalsekretär in Deutschland, am Freitag.
In der Praxis bekämpfe Europa Menschenrechtsverletzungen "oft nicht entschieden genug, etwa die Diskriminierung von Roma in EU-Staaten", so Grenz weiter.
Der Friedensnobelpreis soll Vertretern der Union am Montag, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, in der norwegischen Hauptstadt Oslo verliehen werden. Europa müsse dies als Verpflichtung für die Zukunft verstehen, so der AI-Generalsekretär: "Denn bisher wird sie auf dem Gebiet der Menschenrechte ihren eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht, insbesondere ihre Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eines Nobelpreisträgers nicht würdig."
Das gelte zum Beispiel im Fall der Roma, die etwa "in Tschechien, Ungarn und Rumänien, aber auch in Italien und Frankreich" unter anderem beim Zugang zu Bildung diskriminiert würden.
Grenz beklagte des Weiteren, dass die EU trotz einer guten Menschenrechtsstrategie außenpolitische Ziele aufgebe, "wenn Wirtschafts- oder Sicherheitsinteressen im Spiel sind". Positiv hob er die europäische Unterstützung für ein internationales Abkommen zur Waffenkontrolle hervor, das Waffenlieferungen an Staaten verhindern soll, die Menschenrechtsverletzungen begehen. "Leider haben auch EU-Staaten in der Vergangenheit Waffen geliefert, obwohl sie davon ausgehen mussten, dass diese etwa für das Niederschlagen von Protesten eingesetzt werden", so Grenz. "Es kann nicht sein, dass Menschen sterben müssen, nur weil sich die Staaten nicht über ihre Rettung einigen können", sagte Grenz mit Blick auf die immer wieder im Mittelmeer ertrinkenden Bootsflüchtlinge.
"Das Nobelpreiskomitee ehrt hier wohl den Willen vor der Tat", meint auch Helmut Metzner vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD). "Angesichts der fortdauernden Diskriminierung von Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten in verschiedenen EU-Mitgliedsländern kann die Verleihung - ähnlich wie beim Nobelpreis für US-Präsident Barack Obama - nur als Ermunterung oder als Vorschusslorbeeren verstanden werden." Die EU solle die Ehrung als Ansporn sehen, die eigenen Beschlüsse ernst zu nehmen, so Metzner weiter: "Schließlich ist die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern vor allem eine Wertegemeinschaft." (mit Material von afp/epd)