"Kauf dir eine gelbe Weste und lauf mit der durch Bosnien-Herzegowina", herrschte Milorad Dodik, einer von drei Präsidenten des ex-jugoslawischen Landes, den Fernsehjournalisten Sladjan Tomić am vergangenen Dienstag an. Der Mitarbeiter des Senders TV1 hatte bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Sarajevo gefragt, ob es wichtiger sei, über die Fahnen im Büro der bosnischen Staatschefs zu sprechen, als darüber, dass die Benzinpreise seit Beginn dieses Jahres schon vier Mal erhöht wurden.
Dodik, frisch gewählter Vertreter des serbisch-stämmigen Teils der bosnischen Bevölkerung im Staatspräsidium, ist bekannt für seinen Einsatz für die Abspaltung des serbisch dominierten Teil Bosniens, der Republika Srpska, vom gemeinsamen Staat. Zuvor hatte er eine Teilnahme an einigen Sitzungen der aus einem muslimischen Bosniaken, einem katholischen Kroaten und einem orthodoxen Serben bestehenden Präsidentschaft abgelehnt, da dort keine serbische Fahne hinge.
In dem Land, das zu den ärmsten in Europa gehört, das vor allem die junge Bevölkerung massenhaft in die Auswanderung treibt, spielen Streitigkeiten wie diese unter Politikern eine übergroße Rolle. Die fehlende serbische Fahne im bosnischen Staatspräsidium zum Beispiel verhinderte bereits mehrere Sitzungen, bei denen es unter anderem um die Bildung einer funktionstüchtigen Regierung nach den Wahlen im vergangenen Oktober hätte gehen sollen.
Gelb-Epidemie bei TV!
Fernsehjournalist Sladjan Tomić jedenfalls nahm Präsident Dodiks Vorschlag ernst und kaufte eine gelbe Warnweste. Aber als er am Mittwoch mit der Weste bekleidet vor dem Gebäude des Staatspräsidiums in Sarajevo auftauchte, ließen ihn die Sicherheitskräfte nicht ein. Das veranlasste Tomićs Kollegen bei TV1 nicht nur dazu, sich ebenfalls gelbe Westen zu besorgen, um sich mit dem Journalisten zu solidarisieren. Am Mittwochabend trat zudem die Moderatorin der TV1-Hauptnachrichten in einer gelben Weste auf. Und am Donnerstag trugen gleich alle Mitarbeiter des Senders gelbe Westen während der Arbeit.
"Ziel der Träger der gelben Westen ist es, gegen die Erniedrigung des Journalismus zu protestieren - und damit gegen die Erniedrigung aller Bürger Bosniens", sagte Sladjan Tomić im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Milorad Dodik personifiziert mit seinem Verhalten das Denken des durchschnittlichen bosnischen Politikers über die Bürger und ihre Probleme. Ihre und unsere Nachricht an ihn lautet, dass die dreiste Erniedrigung von Journalisten und ihrem Beruf ein Ende haben muss."
Tomić ist skeptisch, ob sich breitere Kreise der bosnischen Bevölkerung wie in Frankreich den Aktionen der lokalen Gelbwesten anschließen werden. "Ich glaube, mehr gelbe Westen wird es in Bosnien nicht geben. Und das aus mehreren Gründen. Einer ist der Bürgeraufstand von 2014. Damals gab es Versuche, aus Unzufriedenheit über Politiker, Straßen zu blockieren. Aber diese Politiker unterdrückten den Protest durch die Polizei, die seitdem jedes neue Aufflammen verhindert. Diese Gesellschaft ist so mit ethno-nationalen Fragen beschäftigt, dass Proteste nicht über die ethnischen Grenzen herauswachsen", erklärt Tomić.
Gelbe Westen tragen der Fernsehjournalist und seine Kollegen trotzdem weiterhin bei der Arbeit - einerseits um ihren Protest zu zeigen, andererseits um die gewählten Politiker ihres Landes daran zu erinnern, dass sie Verantwortung für Bosnien und seine Bürger tragen.
Beitrag online bei Deutsche Welle